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Wer Opfer einer Straftat geworden ist, hat weitreichende Rechte. Sei es auf zivilrechtlicher, auf sozialrechtlicher oder auf strafrechtlicher Ebene. Insofern darf an dieser Stelle, um Wiederholungen zu vermeiden, auf unsere beiden Ratgeberartikel unter Kategorie Ratgeber – Opferschutz verwiesen werden.

Welche praktischen Auswirkungen es für das Opfer hat, zivilrechtliche Ansprüche im Rahmen des Strafverfahrens zu verfolgen (sog. Adhäsionsverfahren) sei aber im Rahmen dieses Beitrages einmal kurz dargestellt.

Vor kurzem habe ich einen jungen Mann vertreten, der im Kindesalter Opfer eines schweren sexuellen Missbrauchs zu seinen Lasten geworden ist. Neben ihm war auch noch ein weiterer junger Mann Opfer geworden. Nachdem durch eine dritte Person das Strafverfahren ins Rollen gekommen ist, hatte die Staatsanwaltschaft hier Anklage am Landgericht Verden erhoben. Das Verfahren wurde vor der großen Jugendkammer geführt. Im Rahmen dieses Verfahrens habe ich meinen Mandanten hier im strafrechtlichen Bereich vertreten. Das bedeutet, dass ich für meinen Mandanten entsprechend versucht habe, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen, um für meinen Mandanten günstige Weichen stellen zu können. Dies kann in der Praxis so aussehen, dass z.B. Beweisanträge gestellt werden können oder aber auch ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, was vor allem dann Sinn macht, wenn es um besonders intime Details des eigenen Lebens geht.

Da der Täter sich in diesem Verfahren geständig eingelassen hat, war eine solche umfangreiche Herangehensweise im Strafverfahren diesmal nicht notwendig. Da aber gerade ein schwerer sexueller Missbrauch bzw. die Schilderung desselben für das Opfer äußerst unangenehm ist, habe ich im Rahmen dieses Strafverfahrens die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche meines Mandanten mit abgehandelt.

Aufgrund des Geständnisses des Täters mussten die Opfer nämlich zum eigentlichen Kerngeschehen gar nicht mehr viel aussagen, so dass es ihnen erspart geblieben ist, sich in die damalige Situation noch einmal hineinversetzen zu müssen. Und natürlich mussten sie sich den diversen Fragen vom Gericht, Staatsanwaltschaft oder sogar der Verteidigung nicht stellen. Diese Situation wollte ich natürlich für meinen Mandanten nutzen, um auch die zivilrechtlichen Ansprüche in dieser strafrechtlichen Verhandlungssituation zu einem Abschluss zu bringen. Dies hat den Vorteil, dass in einem strafrechtlichen Verfahren damit auch die zivilrechtlichen Ansprüche „abgearbeitet“ werden können, so dass dem betroffenen Opfer die zivilrechtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Rahmen eines gesondert zu führenden Zivilverfahrens, also vor dem Zivilgericht, komplett erspart bleibt.

Und so wurde, noch bevor die Plädoyers im Rahmen des Strafverfahrens überhaupt gehalten wurden, für die beiden Opfer mit dem Täter ein Vergleich in diesem sog. Adhäsionsverfahren geschlossen. Es wurde ein bestimmter Schmerzensgeldbetrag vereinbart und es wurde auch festgelegt, dass der Täter etwaige zukünftige Schäden, welche heute noch gar nicht abzusehen sind, zu ersetzen hat. Auch über die Kosten dieses Vergleichs wurde eine entsprechende Regelung zu Lasten des Täters getroffen.

Damit konnte, wie in einem Zivilverfahren, eine Regelung herbeigeführt werden, ohne dass das Opfer sich einer zusätzlichen Belastung eines solchen zivilrechtlichen Verfahrens aussetzen musste.

Entsprechend ist es immer sinnvoll, sich zum einen als Opfer auch im strafrechtlichen Verfahren einzubringen und zum anderen auch immer die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens im Hinterkopf zu behalten, da man hier ganz salopp gesprochen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann und sich gerade das Opfer die Strapazen eines zusätzlichen zivilrechtlichen Verfahrens erspart.

Menschen, die Opfer einer Straftat werden,  haben regelmäßig einen Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ). Das OEG verweist hier wiederum bezüglich der zu gewährenden Leistungen auf die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Das Opfer kann demnach also zum Beispiel die Kosten einer Heilbehandlung ersetzt bekommen oder erhält eine Opferrente.

Voraussetzung für den Erhalt von Leistungen nach dem OEG ist jedoch unter anderem, dass man Opfer eines tätlichen Angriffs geworden ist.  In der Praxis scheitert der Anspruch oftmals daran, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff nicht erfüllt ist.

Für den Fall einer Körperverletzung, z. B. Schlag ins Gesicht, lässt sich der Terminus des tätlichen Angriffs leicht begründen. Hier sind die Folgen für das Opfer aber regelmäßig nicht ganz so gravierend.

In anderen Bereichen ist es oftmals genau umgekehrt.  Man denke zum Beispiel an Opfer von Stalking. Opfer von Stalking sind nach meiner Erfahrung in erheblichem Maße beeinträchtigt. Hier scheitern Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz aber sehr oft daran, dass kein tätlicher Angriff vorliegt, da der Täter halt auf psychischem Wege auf das Opfer einwirkt.

Beispielhaft sei auch auf den Fall einer Frau hingewiesen, welche als medizinische Masseurin selbstständig in ihren eigenen vier Wänden tätig gewesen ist. Dort hantierte jedoch ein Patient an sich herum und versperrte ihr, als diese ihn des Hauses verwies, den Ausgang aus dem Massageraum, so dass sie zunächst nicht herauskommen konnte. Erst nach energischem Zureden und einem beherztem Rempler in die Seite des Patienten konnte sie sich den Weg aus dem Raum bahnen. Die Folgen für sie waren gravierend.

Ihr Antrag auf Entschädigung nach dem OEG blieb jedoch erfolglos. Auch das gerichtliche Verfahren beim Sozialgericht sowie dem Landessozialgericht verlief ohne Erfolg.

Die Gerichte legten den Begriff des tätlichen Angriffs jeweils eng aus. Es habe zwar Gewalt gegeben, da auch das Versperren eines Fluchtweges durchaus den rechtlichen Gewaltbegriff erfüllt, ein tätlicher Angriff im Sinne der Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes liege aber nicht vor, da der Gesetzgeber bewusst nicht alle Opfer von Straftaten gleichermaßen in den Genuss von Leistungen nach dem OEG kommen lassen wollte.

Ob man diese Argumentation nun teilen möchte, sei mal dahingestellt. Es zeigt sich hier aber leider wie so oft das Ergebnis, dass die Gesetzgebung den tatsächlichen Entwicklungen hinterherhinkt. Denn im Bereich der Opferentschädigung wird es wohl weniger darauf ankommen, auf welche Art und Weise auf ein Opfer eingewirkt wurde, sondern welche Folgen die Tat für das Opfer gehabt hat.

Insofern bleibt nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber im Sinne des Opferschutzes die Regelungen alsbald überarbeitet.

Auch wenn die junge Frau Leistungen nach dem OEG ( bisher ) nicht durchsetzen konnte, war das Verfahren für sie aber dennoch enorm wichtig, um sich zum einen mit den Folgen der Tat nochmals intensiv auseinandersetzen und zum anderen ihr Schicksal dem Gericht mitteilen zu können. Hierdurch wurde sie enorm gestärkt, so dass zumindest auf dieser Ebene etwas für sie gewonnen werden konnte.  Auf der Opferentschädigungsebene blieb nur Bertolt Brecht: Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.