Nach einem aktuellen Urteil des BGH vom 15.02.2017 zum Az. IV ZR 91/16 ist eine landläufig als Schreibtischklausel verwendete Formulierung unwirksam. Hier war in einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung folgende Bedingung vereinbart:

„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zumindest 90 % als Schreibtischtätigkeit im Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis.“

Der BGH hat diese Klausel als intransparent, also undurchsichtig bzw. unverständlich eingestuft, was dazu führt, dass sich der Versicherer auf diese Formulierung im Schadenfall nicht berufen kann.

Dabei ist das tragende Argument im Urteil der Hinweis, dass die Klausel sich letztlich nicht mehr auf den eigentlichen Beruf, den der Versicherungsnehmer ausübt, bezieht, sondern nur noch eine abstrakte Betrachtungsweise vorgenommen wird. Dieses erkennt man erst auf den zweiten Blick, denn zunächst wird in der entsprechenden Klausel von der „zuletzt konkret ausgeübten Tätigkeit“ gesprochen, aber durch die Formulierung „unter der Maßgabe“ wird klar, dass diese Tätigkeit letztlich irrelevant ist, solange es sich um eine Tätigkeit handelt, die zumindest 90 % als Schreibtischtätigkeit im Büro, Praxis oder Kanzlei stattfindet.

Hierdurch löst sich die Betrachtung von der konkreten Tätigkeit ab auf eine abstrakte, generalisierte Beurteilungsgrundlage. Der Maßstab ist also nun noch die 90 %ige Schreibtischtätigkeit.

Der BGH stellt fest, dass eine solche abstrakte und nur noch unter fiktiven Gesichtspunkten vorzunehmende Betrachtung, die nichts mehr mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers zu tun haben muss, einerseits überraschend, andererseits fern des üblichen Verständnisses eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers oder Interessenten liegt.

Allein deshalb ist diese Klausel schon unwirksam. Offengelassen hat der BGH, ob daneben auch eine Unwirksamkeit der Klausel gegeben ist wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers.

Dieses liegt letztlich nahe bzw. fast auf der Hand. Versichert wird nämlich nur die beruflich sitzende Tätigkeit von mindestens 90 % am Schreibtisch. Es geht eben nicht um ein konkretes Berufsbild oder eine konkrete Tätigkeit, sondern nur um diesen äußeren Rahmen.

Konkret dürfte eine Berufsunfähigkeit mit dieser Klausel kaum vorstellbar sein. Denn wenn es gar nicht mehr um die eigentliche Qualifikation geht, die man im Beruf ausübt, sondern nur noch um die Tatsache, ob die Tätigkeit mit mindestens 90 % am Schreibtisch sitzend ausgeübt werden kann, dürfte zumindest in fast jedem Sachverhalt noch denkbar sein, dass eine Tätigkeit als Pförtner oder auch als Mitarbeiter in einem Callcenter eben nicht unmöglich ist, so dass es quasi denkbar kaum noch Sachverhalte gibt, die bei dieser Klausel zu einer Berufsunfähigkeit führen.

Dabei muss noch einmal herausgestellt werden, dass es überhaupt keine Rolle spielt, was der Versicherungsnehmer tatsächlich für einen Beruf erlernt hat und auch ausübt, es geht hier nur um die rein abstrakte Betrachtung und fiktive Konstruktion irgendeiner Tätigkeit, die der Person sodann noch möglich ist unter der Voraussetzung, dass sie zu 90 % sitzend am Schreibtisch erbracht wird.

Eine solche Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist letztlich nur noch eine leere Hülle.

An diesem sehr drastischen Fall zeigt sich, wie wichtig es ist, schon bei Vertragsschluss sorgfältig das Bedingungswerk zur Kenntnis zu nehmen, aber auch, dass im Falle des Leistungsfalles der Versicherungsnehmer sich durch einen entsprechend erfahrenen Rechtsanwalt vertreten läßt. Ohne die entsprechende juristische Hilfe hätte der Versicherungsnehmer in dem hier entschiedenen Fall nämlich aufgrund der erfolgten (unberechtigten) Leistungsablehnung keinerlei Zahlungen erhalten.